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Soll ich von Beruf Märchenerzählerin werden? (Teil 1)

Text © Uschi Erlewein

Aktualisiert: 1. August 2021


Seit ich im Internet präsent bin, fragen mich immer wieder Besucher meiner Website, ob sie von Beruf Märchenerzählerin werden sollen.

Was soll ich auf so eine Frage antworten, ohne die Person zu kennen oder sie als Erzählerin erlebt zu haben?

Doch wenn ich gefragt werde, dann versuche ich auch zu antworten. Viele Notizen für den folgenden Text habe ich mir nach solchen Gesprächen gemacht. Es tauchen dabei immer wieder ähnliche Themen auf – vielleicht kann ich auch dir mit dieser Artikelserie (Teil 1-3) bei deiner Suche nach Antworten weiter helfen.

Realistisch sein und nichts verklären

Immer wieder stelle ich fest, dass die meisten Menschen hauptsächlich die schöne, märchenhafte Seite des Erzählerberufs sehen. Die Schattenseiten sind wenig bekannt und es wird auch selten in der Öffentlichkeit darüber gesprochen. Deshalb lass uns mal anschauen, wie die Realität aussieht. 

Da Licht ohne Schatten, Schatten ohne Licht nicht existieren, will ich hier im Blog, auf Ethnostories, über beide Seiten erzählen.

Artikelfoto: Beruf Märchenerzählerin - ein Traumjob

Raus aus der Tretmühle: Spielen statt arbeiten

Du denkst, die Freiheit winkt, sobald du deinen Job an den Nagel hängst und von Beruf Märchenerzählerin bist?

Die Arbeit ist dann Spiel – Spielen ist Arbeit ? Und du wirst immer freudig an die Arbeit gehen?

Du träumst davon, deinen Job aufzugeben, frei zu sein und von dem zu leben, was du gerne machst?

Erzählerin sein ist eine wunderbare Lebensaufgabe. Ein Leben in der Kunst, dein Hobby ist dein Beruf, keine Trennung zwischen Arbeit und Leben, die Möglichkeit sich künstlerisch auszudrücken und auch noch davon zu leben.

Du bist dein eigener Chef, kannst deine Zeit selber einteilen und entscheiden, was und wann du arbeitest. Als Erzählerin bist du viel unterwegs, kannst dich intensiv mit Mythologie beschäftigen und Geschichten aus der ganzen Welt kennen lernen, nach Märchen suchen, viel lesen und stehst dann vor einem – hoffentlich begeisterten – Publikum mit glänzenden Augen.

Du fragst mich, ob du es wagen sollst?

Klar, versuchs! Erst wenn du es versucht hast, kannst du sagen, ob dir der Beruf Märchenerzählerin passt.

Doch erwarte nicht, dass du im Beruf Märchenerzählerin auf Rosen gebettet durch ein Leben schwebst, das sich nach Dauerurlaub anfühlt.

Artikelfoto: Beruf Märchenerzählerin - ein Traumjob

Von Beruf Märchenerzählerin: Freischaffend und kreativ

Sobald du deinen Alltagsjob los hast, kannst du all deine Kraft auf die Erzählkunst konzentrieren. Du kannst es kaum erwarten, bis dein Künstlerleben beginnt. Endlich hast du genügend Zeit und deine Kreativität kann endlos fliessen.

Das wird so sein – und auch nicht!

Du wirst Zeiten haben, in denen du Abends zufrieden ins Bett fällst, mit dem Gefühl etwas erschaffen zu haben. Es ist wunderbar, wenn sich nach langer Recherchezeit alles zusammenfügt und ein neues Erzählprogramm entsteht.

Zu anderen Zeiten, sei gewiss, dass es genügend Ablenkungen gibt, die dich vom Gestalten abhalten. Du verhedderst dich in der Weite des Internets, verlierst dich auf Facebook. Freunde tauchen zu jeder Tageszeit auf, rufen an und halten dich von der Arbeit ab. Du bist ja zu Zeiten daheim, wenn alle anderen arbeiten.

Selbst wenn du mehr Zeit hast, heißt das nicht, dass du kreativer bist, mehr gestaltest, schreibst und erzählst.

Die Tage vergehen schnell – ob du künstlerisch arbeitest oder nicht.

Oft wirst du darum kämpfen müssen ins Tun zu kommen, musst dich aufraffen und selber motivieren.

Du kannst Zeiten erleben, in denen du das Gefühl hast nicht weiter zu kommen. Deine Kreativität ist ausgetrocknet, keine Aufträge kommen herein, du merkst, dass es doch nicht so einfach ist mit Märchenerzählen Geld zu verdienen.

Du fragst dich, ob du deine Geschichte gut erzählst, ob dein Repertoire attraktiv genug ist und ob du nicht weiter lernen solltest. Deine Selbstzweifel wachsen ins Unendliche, alle Energie und Zuversicht scheint verschwunden.

Da gilt es beharrlich zu sein, nicht aufzugeben und dranzubleiben.

Artikelfoto: Beruf Märchenerzählerin - ein Traumjob

Selbstbestimmt arbeiten

Sicher, du kannst deine Termine selber bestimmen, auch mal nein sagen und einen Auftrag ablehnen. Du kannst frei mit deiner Zeit umgehen. Morgens kannst du später aufstehen. Reisen, ein Buch lesen und Besuche machen, wann du willst.

Tatsächlich wirst du, mit großer Wahrscheinlichkeit, mehr arbeiten als früher in deinem 8-Stunden Job.

Wie gesagt, es gibt keine Trennung von Leben und Arbeit. Die typischen Tage einer Aufführung sind lang. 12-15 Stunden-Tage sind bei mir keine Seltenheit. Das Wort Feierabend wird immer weniger Bedeutung für dich bekommen.

Geregelte Arbeitszeiten ade – unvorhersagbare Arbeitszeiten statt dessen.

Was immer du tust, wirst du für deine Arbeit nutzen. Zum Beispiel habe ich stets einen Notizblock griffbereit, damit ich Ideen, Worte, Gedanken notiere für meine Geschichten.

Auch meine Reisen sind kein Urlaub. Sie sind mir Inspiration für die Kunst und ich nutze sie für Fortbildungen oder/und intensive Recherche.

Bunte Gartenzwerge - Artikelbild des Beitrags: Soll ich von Beruf Märchenerzählerin werden? (Teil 1)

Arbeiten, wenn andere Freizeit haben

Vergiß nicht, ein Großteil der Aufführungen finden zu der Zeit statt, wenn die meisten Leute Freizeit haben. Also Abends, Nachmittags und am Wochenende.

Deine Arbeitszeiten werden unregelmäßig verteilt sein. Routine kommt da kaum auf. Da wird es auch kompliziert wöchentliche Termine, wie z.B. von einem Tanzkurs, regelmäßig zu besuchen.

Es wird also schwierig für dich werden, Freunde zu treffen, die nur am Wochenende Zeit haben. Bei mir veränderte sich dadurch der ganze Freundeskreis. Plötzlich traf ich mich nur noch mit Freiberuflern, die einen ähnlichen unregelmäßigen Arbeitsrhythmus haben.

Fortsetzung :

  • Im Teil 2 der Artikel-Serie „Soll ich von Beruf Märchenerzählerin werden?“ geht es weiter über das Unterwegssein und das Auf und Ab des Künstlerlebens
  • … und hier gehts zum Teil 3 der Serie über den Erzählerberuf

Lesetipp:

Raymond Unger: Die Heldenreise des Künstlers: Kunst als Abenteuer der Selbstbegegnung *

Jeff Goins: Real Artists Don’t Starve *

Dianne de Las Casas: The Story Biz Handbook: How to Manage Your Storytelling Career from the Desk to the Stage * ( … ist von 2008, manches ist deshalb schon ein bisschen veraltet, trotzdem recht informativ. Vor allem kenne ich nichts vergleichbares auf deutsch. )

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Wer schreibt hier:

Ich bin Uschi Erlewein und blogge hier über das Leben als freischaffende Künstlerin. Ansonsten bin ich hauptberufliche Erzählerin und habe mich auf Weltgeschichten aus fernen Ländern spezialisiert. Um die Geschichten gut erzählen zu können, reise ich auch schon mal in die Mongolei, aufs Dach der Welt, nach Kirgistan, Bali oder zu indianischen Erzählern.

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