Abwehrende Hände auf blauem Grund, Beitragsfoto: Nein sagen, Auftrag ablehnen
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Nein sagen – Auch mal einen Auftrag ablehnen

Text © Uschi Erlewein

Aktualisiert: 27. Oktober 2022


Eigentlich mache ich sehr gerne Aufführungen als Geschichtenspielerin und Erzählerin. Immer wieder ist es schön, zusammen mit dem Publikum in eine ganz eigene Welt der Imagination einzutauchen. Trotzdem muss ich von Zeit zu Zeit bei einer Buchungsanfrage auch nein sagen und einen Auftrag ablehnen.

Warum? Eines lernte ich in meinen Jahren als freischaffende Künstlerin und mobiles Theater: es bringt nichts zuzusagen, wenn etwas nicht passt.

Manchmal verlaufen schon die Vorgespräche so schwierig, dass mein Bauchgefühl sagt, es wäre besser bei diesem Veranstalter nicht zuzusagen. Mein Gefühl hat da meistens recht. Mal passt mein Repertoire einfach nicht zum Event oder die Konditionen sind nicht gerade prickelnd.


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Abwehrende Hände auf blauem Grund, Nein sagen

Suche Respekt und Wertschätzung

Da gibt es zum Beispiel diese interessante Anfragen. Trotz einiger Haken, ist das Projekt verlockend und deshalb ist es schwierig nein zu sagen. So habe ich schon öfter den Fehler gemacht, Aufträge anzunehmen, für die ich nicht die richtige Künstlerin war.

Ich erinnere mich an eine Aufführung in einer Weihnachtsfeier. Mein Publikum hatte bereits 2 Stunden exzessivem Alkoholgenuss hinter sich, „der Chef gibt heute einen aus, das müssen wir ausnützen“. Beim Auftritt schaute ich in verständnislose Gesichter mit glasigem Tunnelblick. Die meisten schwankten wie auf dem Schiff bei hohem Seegang, andere lagen schon irgendwo zwischen den Bäumen.

Bei so einer Aufführung frage ich mich ernsthaft, warum ich mir das antu. 

Ein anderes Mal sollte ich im ohrenbetäubendem Lärm neben einer Hüpfburg erzählen. Es gibt einfach Orte, wo du einfach am falschen Platz bist!

Oder ich wurde für ein Sommerfest engagiert, das sowieso schon ein übervolles Programm hatte. Mein Auftritt war nur noch ein Programmpunkt mehr im Supermarkt des Überflusses – das Publikum mehr als übersättigt.

Weniger ist oft mehr, auch bei Veranstaltungen!

Kaum hatte ich bei einer Anfrage dem Interessenten mein Honorar genannt, begann diese Person respektlos über mich herzuziehen und wertete meine Arbeit ab. Dabei hatte er noch nie einen Auftritt von mir gesehen! Wenn jemand sich so herablassend verhält, nur um den Preis zu drücken, bin ich die falsche Adresse.

In so einem Moment wird mir immer wieder klar, wie wichtig es ist, die richtige Auswahl zu treffen und auch mal nein zu sagen.

Öffne die Tür für die richtigen Aufträge

Wenn ich bei solchen Veranstaltungen zusage, verbaue ich mir nämlich die Möglichkeit dort zu erzählen, wo meine Arbeit wirklich willkommen ist.

Wenn du die falschen Aufträge annimmst, schliesst du die Tür für die richtigen.

Es gibt sie nämlich sehr wohl, die Auftraggeber, die dir sagen „Qualität hat ihren Preis!“ und die dich engagieren, weil sich deine Arbeit schätzen. Sie bezahlen gerne dein Honorar, damit du weiter arbeiten und dein Niveau noch verbessern kannst.

Ich kann dir sagen, meine Arbeit ist so viel besser, wenn meine Auftraggeber mir vertrauen: „Sie haben alle Freiheiten!“

abwehrende Hände, gold auf blauem Grund

Nein sagen weckt manchmal Existenzängste

Eine Absage ist oftmals schwer. Denn als freischaffende Künstlerin hast du ja, in der Regel, keine finanziellen Sicherheiten. Du musst von was leben und bist froh um jede Einnahme.

„Vielen Dank für die Anfrage, ich bin nicht die richtige Erzählerin für ihre Veranstaltung“. Das ist schwer zu sagen, Angst steigt auf, du fragst dich, ob du jemals wieder Aufträge bekommst, wenn du jetzt nein sagst.

Wenn du Ja zu anderen sagst, pass auf, dass du nicht Nein zu dir sagst.

Paulo Coelho

Selbst wenn du genügend Aufträge hast, nimmst du trotzdem alles an, was auf dich zukommt. Aus Angst, du könntest was verpassen. Aus Furcht, die Aufträge in Zukunft an deine Kollegen zu verlieren.

Also passt du dich an, deinen Stil, deine Arbeitsweise, verbiegst dich, damit du den gewünschten Aufführungstermin einhalten kannst. Und du akzeptierst jeden Preis …

Da passiert es leicht, dass du in eine Spirale gerätst. Bei einigen meiner Künstlerkollegen war da plötzlich die Luft raus. Seither kämpfen sie mit den Nachwirkungen ihres Burn-out.

Ich selber habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass ich nicht alle Aufträge annehmen muss – ich kann auch mal nein sagen. Denn jedesmal, wenn ich eine Tür schliesse, öffnet sich woanders eine andere.

Abwehrende Hände auf blauem Grund, Nein sagen

Auftrag abgelehnt, der Zweifel nagt

Wenn du abgesagt hast, kann es sein, dass du dich fragst, ob deine Entscheidung richtig war. Hast du dir jetzt selber eine Chance verdorben? Solltest du nicht aus Erfahrung wissen, wie du in jeder Situation klar kommst?

Du fragst dich, „Bin ich nicht zu egoistisch? Der Kunde ist doch König. Sollte ich da nicht alles tun und jeden Wunsch der Veranstalter erfüllen? Sie erwarten doch für Ihr Geld, dass du ihnen alles recht machst und sie an erster Stelle stehen. Muss ich mich da nicht anpassen?“

Wenn du viel Zeit mit anstrengenden Auftraggebern in unzähligen Telefonaten und Emails verbringst, hält dich das von deiner künstlerischen Arbeit ab. Du hast Stress und bald keine Energie und Kapazität mehr, um was Neues zu erarbeiten.

Bist du dann noch als Künstlerin frei?

Wo bleibt da Raum für deine Kreativität, wenn du so viele schlecht bezahlte Aufträge erledigst?

Wie willst du denn da die Qualität deiner Arbeit entwickeln, wenn dir kaum mehr Zeit mehr bleibt? Wann willst du Märchen suchen, deinen Stil entfalten?

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Sieh den Gewinn statt den Verlust

Über die Jahre habe ich mir angewöhnt nach einer Absage nicht die verlorene Chance zu sehen, auch nicht das Geld, das ich nicht verdiene.

Lieber schau ich darauf, was ich statt dessen gewinne. Zum Beispiel, dass ich nun genügend Zeit habe, an einem neuen Erzählprogramm zu arbeiten. Oder dass ich reisen kann, um zu recherchieren.

Mit dem Neinsagen habe ich ja auch Zeit geschaffen, in der ich Aufführungen machen kann, wo meine Arbeit geschätzt wird und mein Repertoire seinen Platz hat.

Manchmal ist Gewinn als Verlust getarnt.

Abwehrende Hände auf blauem Grund, Nein sagen

Überlege, was du willst

Ich werde immer skeptisch, wenn ich Kollegen sehe, die alles annehmen. Entweder sind sie unbewusst oder ihr Ego gaukelt ihnen vor, dass sie alles können.

Erkenne deine Grenzen.

Das ist weder egoistisch noch überheblich. Es ist doch ein Zeichen von Professionalität zu wissen, für welches Publikum deine Angebote sinnvoll sind – und in welcher Umgebung du nicht arbeiten willst.

Wenn du dir darüber noch keine Gedanken gemacht hast, dann nimm dir etwas Zeit, um dir darüber klar zu werden. Du darfst als Künstlerin abwägen – egal ob du erst anfängst oder schon ein alter Hase bist.

Entscheide, wann es sich lohnt Kompromisse einzugehen – und wann nicht. Wenn dein Bauchgefühl sagt: „Finger weg“, dann hör auf deine innere Stimme. Mit dem Neinsagen zeigst du Respekt für deine eigene Person und deine Kunst!

Schau, du musst nicht alles können. Nicht jeder kann alles. Spezialisiere dich. Wertschätze deine Prioritäten.

Wenn du nur für Erwachsene erzählen willst, dann tus. Ich muss mich nicht zwingen auch ein Erzählprogramm für die Allerkleinsten anbieten. Du brauchst keine Mischung aus Märchenerzählen und Basteln für Kindergartenkinder anbieten. Oder Märchen der Brüder Grimm erzählen.

Wenn du vor dem richtigen Publikum im richtigen Raum erzählst, dann wird deine Aufführung auch gleich viel besser. Der Standart deiner Erzählkunst steigt. Die Veranstalter lernen gute Erzählkunst schätzen.

Setze klar deine Bedingungen, schon beim Erstkontakt und mache einen Vertrag, in dem du alles festhältst. Zum Beispiel, dass du als erster Programmpunkt dran kommst. Mach deutlich, welche Voraussetzungen du für deine Arbeit brauchst. Ist das nicht möglich, dann lehne lieber auch mal einen Auftrag ab!

Sei ehrlich zu dir selber und zu deinem Publikum. Gehts nicht auch darum als Künstlerin?

Wer schreibt hier:

Ich bin Uschi Erlewein und blogge hier über das Leben als freischaffende Künstlerin. Ansonsten bin ich hauptberufliche Erzählerin und habe mich auf Weltgeschichten aus fernen Ländern spezialisiert. Um die Geschichten gut erzählen zu können, reise ich auch schon mal in die Mongolei, aufs Dach der Welt, nach Kirgistan, Bali oder zu indianischen Erzählern.