Artikelbild: Soll ich von Beruf Märchenerzählerin werden? (Teil 3)
  • Home
  • |
  • Blog
  • |
  • Märchenerzählerin werden? – Teil 3. Über Geduld & Hingabe

Märchenerzählerin werden? – Teil 3. Über Geduld & Hingabe

Text © Uschi Erlewein

Aktualisiert: 1. August 2021


So, das ist vorerst der letzte Teil der Artikelserie „Soll ich von Beruf Märchenerzählerin werden?“. Zu den verschiedenen Themen, die ich in dieser Serie grob angerissen habe, werde ich noch ausführlicher in zukünftigen Texten eingehen.

Falls du die ersten beiden Teile noch nicht kennst, empfehle ich, sie am besten der Reihenfolge nach, zu lesen:

  • „Soll ich von Beruf Märchenerzählerin werden?“ Teil 1 
  • „Soll ich von Beruf Märchenerzählerin werden?“ Teil 2

Märchenerzählerin werden und der lange Atem

Willst du professionelle Märchenerzählerin werden, musst du ein genügend großes Repertoire aufbauen. Das heißt, du musst viele Geschichten erarbeiten, die Besten davon aussortieren und zu attraktiven Programmen zusammenstellen. Nur mit genügend großem Angebot wirst du genügend Auftritte bekommen. Du investierst also schon im Vorfeld viel Arbeit und Zeit, bevor du an €innahmen denken kannst.

Selbst wenn du viele Geschichten im Repertoire hast, heißt das nicht, dass du genügend bezahlte Engagements bekommst. Die Auftraggeber der Welt werden nicht Schlange stehen, um dich zu engagieren.

Ohne Werbung gehst du unter und man vergisst dich schnell. Tatsächlich wirst du einen Gutteil deiner Zeit damit zubringen bezahlte Auftritte zu organisieren. Wenn du keine Auftritte hast, kannst du deine Brötchen nicht bezahlen. So einfach ist das.

Immer wieder passiert mir zum Beispiel, dass sich Veranstalter erst nach zwei, drei oder mehr Jahren auf meine Werbung zurück melden. Erwarte also keine schnellen Ergebnisse. Von wegen „Einfach mit Märchenerzählen Geld verdienen“!

Du wirst einen langen Atem brauchen.

Viele, viele, kleine Schrittchen werden dich weiter bringen.

Märchenerzählerin werden ist einfach, es zu bleiben braucht Beharrlichkeit.

Es bleibt nichts anderes übrig, als dir nach und nach einen Ruf aufzubauen.

Die wenigsten Künstler haben Erfolg über Nacht.

Das sind eher Ausnahmen. Selbst so ein berühmter Künstler wie Frank Sinatra sagte von sich:

Es hat 20 Jahre gedauert, bis ich mir meinen Ruf erarbeitet hatte.

Frank Sinatra
Artikelbild: Soll ich von Beruf Märchenerzählerin werden? (Teil 3)

Übung macht die Märchenerzählerin

Viele Menschen meinen, dass Erzähler bloss auf die Bühne stehen und für ein paar Minuten sprechen.

Das ist jedoch ein winzig kleiner Anteil unserer Arbeit.

Von Fussballspielern ist es ganz selbstverständlich, dass sie regelmässig trainieren. In der Kunst ist es nicht viel anders. Märchenerzähler brauchen, wie jeder Handwerker und Künstler, viel Übung.

Ähnlich wie Tänzer, verbringen wir Stunden mit unserem täglichen Training fürs Geschichten erzählen. Wie bei Musikern, sind unsere Tage mit „Fingerübungen“ und Improvisationen gefüllt. Wie Schriftsteller brüten wir lange über einen Satz – immer auf der Suche mit den richtigen Worten. Stets bemüht, das zu beschreiben, was wir von der Geschichte vor unserem inneren Auge sehen.

Begabung bringt dich nur bis zu einem bestimmten Punkt, dann heißt es an die Arbeit zu gehen, zu üben, üben, üben …

Pablo Picasso, ein Inbegriff von Hingabe an die künstlerische Arbeit, sagte einmal:

Die Inspiration  existiert, aber sie muss dich bei der Arbeit finden.

Erzählen und das Business

Und last not least: Willst du beruflich Märchenerzählerin werden, brauchst du auch eine gute Portion Erfahrung und Wissen um das Business. Buchführung, Marketing, Webdesign, Rechtliches, wie zum Beispiel Urheberrecht … Eben alles, um eine Firma am Laufen zu halten.

Nicht jeder Teil der Arbeit macht Spaß.

Es gibt viele Arbeitschritte, die ich nicht gerade gerne mache – und muss mich trotzdem durchnagen. Auf Büroarbeiten könnte ich gut verzichten. Über die Jahre musste ich auf die harte Tour lernen, dass Ordnung und gute Organisation im Büro das Leben sehr erleichtert.

Meine Kollegen in USA arbeiten meistens mit Agenturen zusammen, die die Erzähler an potentielle Auftraggeber vermitteln. Leider habe ich bisher in Deutschland nichts vergleichbares gefunden.

Falls ich eine gute Agentur finden würde, die sich um die Akquise kümmert und mir Auftritte vermittelt – ich würde keine Minute zögern und gerne diesen Teil der Arbeit abgeben. ( Wenn du eine kennst, sag mir bitte Bescheid! )

Kritiker und Zweifel

Wundere dich nicht, wenn du Selbstzweifeln gegenüber stehst oder Lampenfieber auf der Bühne hast.

Selbstzweifel gehören einfach zum Künstlerleben dazu. Vor allem in der Zeit, wenn du deine Kunst anderen zeigst. Du selber bist dein härtester Kritiker, deine unbeugsame Chefin. Viele Künstler tragen eine gehörige Portion Selbstzweifel in sich, auch wenn es so mancher versucht zu überspielen.

Es ist zwar unangenehm an sich selber zu zweifeln, doch sehe ich Selbstzweifel nicht nur negativ.

Sofern dich der Zweifel nicht überwältigt und in deiner Kreativität blockiert, kann eine gesunde Portion Selbstzweifel durchaus hilfreich sein. Sie zeigen dir deine Schwächen

Du kannst erkennen, womit du nicht zufrieden bist, was du noch dazu lernen solltest.

Selbstzweifel sind ein Hinweis, dass du mit einer bestimmten Sache am Ende deines Lateins bist und es Zeit wird dafür Hilfe zu suchen. So führen Selbstzweifel auch dazu, dass du dein Handwerk besser beherrschst und dich weiterbildest.

Selbstzweifel verweisen dich auf deinen Platz und erinnern dich bescheiden zu bleiben.

Zudem stehst du als Märchenerzählerin im Rampenlicht, das schmeichelt der Eitelkeit. Das kann sich schnell verselbstständigen und wird für manche zum Egotrip. Doch das Publikum ist nicht dumm und durchschaut die hohle Fassade einer eitlen Selbstverliebtheit.

Als Märchenerzählerin bist du nahe am Publikum und wirst auch als Mensch wahrgenommen.

Da ist Bescheidenheit ein guter Boden, um authentisch zu sein und das ist gerade beim Märchenerzählen wertvoll.

Im Laufe meiner 35 Jahre als Künstlerin habe ich gelernt mit den Selbstzweifeln zu leben. Sie sind ein regelmässiger Besucher und ich kenne sie mittlerweile recht gut.

Lerne von ihnen, doch lass dich nicht stoppen und ausbremsen. Wie oben erwähnt: Beharrlichkeit und Dranbleiben ist das Zauberwort.

Artikelbild: Soll ich von Beruf Märchenerzählerin werden? (Teil 3)

Finger weg vom Beruf Märchenerzählerin?

Nein, ich sage nicht, du sollst keine professionelle Erzählerin werden.

Ich rate vielmehr: Wäge realistisch die Licht- und Schattenseiten des Berufes ab, wenn du Märchenerzählerin werden willst. Dann weißt du, auf was du dich einlässt und schlidderst nicht blauäugig in etwas hinein. 

Wenn du von Beruf Märchenerzählerin bist, dann schlägst du dich mit den selben Themen herum, wie viele andere Selbstständige, Freelancer und Künstler. Das gehört eben dazu.

Entwickle Strategien, wie du damit klar kommst.

Ich selber bin sehr gerne freischaffende Künstlerin & Geschichtenspielerin und will nichts anderes machen. Ich bin zufrieden mit meiner Art zu leben, bin gerne unterwegs und mag die vielfältigen Herausforderungen, die mir meine Arbeit bringt. Die Schattenseiten akzeptiere ich als selbstverständlichen Teil und meistens überwiegen für mich die Vorteile.

Allerdings bin ich froh, dass ich mich in meiner Zeit als Kunsttherapeutin intensiv mit dem kreativen Prozess beschäftigte. Ich kenne die Fallstricke im Künstlerleben und habe Handwerkszeug, um damit umzugehen. Das hilft in mancher schwierigen Situation ungemein.

Sicher, es gibt Aufgaben, die ich lieber nicht tun müsste. Doch wenn ich sie nicht erledige, dann komme ich auch nicht zu der Arbeit, die ich gerne mache: schreiben, auf der Bühne stehen und erzählen. Und darum geht es.

Also, wage den Sprung ins kalte Wasser, hab Geduld und gib nicht so schnell auf. Und suche Dir Hilfe, wenn du merkst, du kommst nicht weiter.

So, damit wären wir am Ende der kleinen Artikelserie „Soll ich von Beruf Märchenerzählerin werden? (Teil 1-3)“ angekommen.

Habe ich in alle wichtigen Aspekte angesprochen oder habe ich noch etwas vergessen? Dann gib mir bitte Bescheid und frage mich. Wie gesagt, ich werde noch öfters über dieses Thema schreiben …

Lesetipp:

Raymond Unger: Die Heldenreise des Künstlers: Kunst als Abenteuer der Selbstbegegnung *

Jeff Goins: Real Artists Don’t Starve *

Dianne de Las Casas: The Story Biz Handbook: How to Manage Your Storytelling Career from the Desk to the Stage * ( … ist von 2008, manches ist deshalb schon ein bisschen veraltet, trotzdem recht informativ. Vor allem kenne ich nichts vergleichbares auf deutsch. )

*Werbung: bei Amazon anschauen. Wenn du über diese Links bei Amazon einkaufst, bekomme ich eine kleine Provision, die in die Arbeit an diesem Blog fließt. An deinem Kaufpreis ändert sich dadurch nichts und du bezahlst keinen Cent mehr. Danke für die Unterstützung!

Wer schreibt hier:

Ich bin Uschi Erlewein und blogge hier über das Leben als freischaffende Künstlerin. Ansonsten bin ich hauptberufliche Erzählerin und habe mich auf Weltgeschichten aus fernen Ländern spezialisiert. Um die Geschichten gut erzählen zu können, reise ich auch schon mal in die Mongolei, aufs Dach der Welt, nach Kirgistan, Bali oder zu indianischen Erzählern.