Kleine Bilder in Serie, Frauen bei der Hausarbeit - Beitragsfoto: Aussortieren im Repertoire
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Aussortieren im Repertoire: Geschichten erzählen & die Suche nach Qualität

Text © Uschi Erlewein

Aktualisiert: 1. August 2021


Auch als Künstlerin tut es gut, immer mal wieder die eigenen Arbeiten durchzuschauen. Als Erzählerin prüfe ich regelmäßig mein Repertoire von Märchen und Geschichten. Ich räume mein Angebot als Theater, meine Erzähler-Website und den Fundus an Material auf. Beim Aussortieren all der Zeichnungen, Bilder, Kostüme, Fotos, Texte und angefangenen Arbeiten entdecke ich, was ich alles geschaffen habe. So kann ich den Weizen vom Spreu trennen und schaffe dadurch Platz für Neues.

Im Repertoire ist es nämlich wie im Garten: wenn du nicht um deine Lieblingsrose herum Platz schaffst, kann es sein, dass alles andere so wuchert und deine Rose erstickt – zumindest sie am Gedeihen hindert.

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Weniger ist oft mehr – Die Freude am Weggeben

Als vor Jahren meine Mutter starb, begann für mich eine intensive Phase mit aussortieren, weggeben, mich von Dingen verabschieden. Anfangs war das schwer, doch nachdem die Schränke meiner Mutter ausgeräumt waren, machte ich in meiner eigenen Wohnung weiter.

Vergangenes Jahr hatte ich mir z.B. vorgenommen jeden Tag mindestens 2 Dinge zu verschenken. Ganz oft wurden es auch ein paar Sachen mehr, die ich weder benutzte noch wusste, weshalb ich sie überhaupt besitze. Schritt um Schritt will ich weiter ausmisten und Ballast abwerfen. So vieles habe ich schon weggegeben und merke gar nicht, dass was fehlt. Übrigens habe ich mich in dem Zusammenhang auch von Facebook verabschiedet.

Nachdem ich im Netz etliche interessante Blogs über das Thema Minimalismus und Death Cleaning entdeckte, lese ich regelmässig über das Thema. Auf dem Weg bekomme ich Tipps und so manchen Anstoß mit dem Aussortieren weiter zu machen. Das wirkt sich natürlich auch aufs Atelier und meine Erzählprogramme aus.

Lesetipp Minimalismus Blogs: Minimalismus21Fräulein Ordnung.

Es ist ja schon so, dass es für dich als Künstlerin wichtig ist viel zu produzieren, damit du dich weiter entwickeln kannst. Ich sage ja immer, „du musst viel Mist produzieren, damit er dir zum Dünger wird.“ Besonders, wenn du gelernt hast ins Tun zu kommen, sammelt sich da mit der Zeit viel an.

So heißt es immer wieder: Ärmel hochkrempeln, aussortieren und ausmisten.

Im Moment lösche ich z.B. tausende von Fotos von meinen Reisen, im Blog schreibe ich Texte fertig, repariere meine Kostüme, straffe meine Geschichtensammlung und sortiere alte Notizen im Computer.

In der Minderung liegt die Mehrung.

Laotse

Was weg muss, kann weg.
Was du beenden willst, beende.
Du bist nicht zufrieden, mit dem, was du da gemacht hast?
Ändere es, bis du zufrieden bist!

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Sorge für Qualität

„Jetzt kennst du die Geschichten, sorge nun auch für sie“, gab mir ein alter indianischer Geschichtenerzähler auf den Weg. Dein Repertoire braucht Pflege, die Geschichten die du erzählst, wollen sich weiter entwickeln, durchlebt und geübt sein, abgestaubt und poliert werden.

Wenn du also, wie so manche Märchenerzählerin, 300 Märchen im Repertoire hast, frage dich, ob du für alle sorgen und sie mit der selben Qualität erzählen kannst. Oder überforderst du dich eigentlich damit? Willst mit der Zahl nur Eindruck machen oder kannst du dich einfach nicht von was trennen?

Verfalle nicht dem Irrtum, dass man die Qualität einer „guten Erzählerin“ an der Anzahl von Märchen im Repertoire messen kann!

Klar, wenn du von Beruf Märchenerzählerin bist, brauchst du ein genügend grosses Angebot, aus dem deine Veranstalter aussuchen können. Auch mir passiert es öfters, dass ich vom Publikum gefragt werde: Wie viele Märchen können sie erzählen? Jedoch meine Veranstalter interessiert das herzlich wenig, für sie ist das Thema oder die Dauer eines Erzählprogrammes entscheidend. Die Anzahl der erzählten Geschichten ist ihnen dabei ziemlich egal.

Also: nicht die Menge machts! Eine lange Märchenliste ist kein Zeichen für künstlerische Qualität! Es ist viel besser wenige Märchen richtig gut erzählen zu können und sich auf etwas Bestimmtes zu konzentrieren.

Edward Hopper

Neulich schaute ich mir eine Dokumentation an, über den amerikanischen Maler Edward Hopper.

Edward Hopper ist ein gutes Beispiel dafür, dass es nicht auf die Zahl der geschaffenen Werke ankommt, sondern auf die Qualität. Er hat im Schnitt nur 1 Bild im Jahr gemalt – wenn überhaupt.

Trotzdem ist Hopper ein grosser Künstler, er war schon in der Mitte seines Lebens berühmt und seine Bilder in vielen Ausstellungen vertreten. Hopper ist einer der wichtigsten amerikanischen Maler des 20. Jh. und inspirierte viele andere Künstler.

Das zeigt, dass in der Kunst andere Kriterien gelten. Der Preis eines Gemäldes wird nicht nach den Quadratmetern bewertet, die mit Farbe bedeckt sind. Eine Aufführung wird nicht nach Minuten bezahlt. Du bekommst ein Honorar dafür, Gage, die nicht mit Stundenlohn zu verwechseln ist.

Mengenangaben und Zahlen sind kein Maß für künstlerische Arbeit.

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Das Repertoire ist deine Visitenkarte

Bei deinem Repertoire geht es also nicht darum, möglichst alles, was du irgendwann mal gemacht hast, vorzuzeigen. Wähle aus und zeige deine Arbeit von ihrer besten Seite.

Dein Repertoire ist deine Visitenkarte, in der selbst ein Aussenstehender erkennen kann, welches Thema du in deiner künstlerischen Arbeit verfolgst.

In der Kunst geht es um Ausdruck.
Mach dich deshalb auf die Suche.
Finde deine eigene Stimme.
Vertiefe dich in ein Thema.
Experimentiere.

Dabei gibt dir eine Serie, dein Repertoire oder eine thematisch zusammengestellte Gruppe von Arbeiten eine Struktur, um zu wachsen und dich weiterzuentwickeln.

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Aussortieren: Wenn Geschichten nicht mehr passen

Regelmäßig räume ich meinen Schrank aus und schaue, welche meiner Kleider mir nicht mehr gefallen, welche nicht mehr passen. Genauso schaue ich mir immer mal wieder mein Repertoire an und sortiere aus, was veraltet ist.

Eine Geschichte ist wie eine zweite Haut, die du dir während dem Erzählen überziehst. Es kann gut sein, dass sie dir irgendwann nicht mehr passt.

Passt das, was du machst, noch zu dir?

Vielleicht hast du immer wieder eine Geschichte erzählt, die ne zeitlang eine Bedeutung in deinem Leben hatte, in der etwas ausgedrückt wurde, was dir am Herzen lag. Doch du hast dich inzwischen verändert, es wurde dir fremd oder unwichtig.

Leben und Kunst sind miteinander verflochten, sie beeinflussen sich immer gegenseitig. Im besten Fall reflektiert deine Kunst dein Leben.

Langer Rede, kurzer Sinn: schau auch mal unter dem Aspekt auf dein Repertoire: Passt dein Repertoire an Geschichten noch zu deinem Leben?

Wenn etwas zu Ende geht, lass es zu Ende gehen. Auch der Baum verliert im Herbst seine Blätter, wenn es Zeit dazu ist. Dann erst können neue wachsen.

Prüfe, ob es an der Zeit ist, dich von manchen Geschichten zu trennen. Wenn du etwas beiseite legst, entscheidest du dich ja gleichzeitig für das, was bleibt!

Fortsetzung folgt …

Bald gehts weiter mit diesem Thema, mit weiteren praktischen Anregungen und Tipps, wie du beim Aussortieren deines Repertoires vorgehen kannst.

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Foto:

Diese Serie von kleinen Malereien habe ich im Museum des Bread + Puppet Theaters eingefangen. Solltest du mal in den Nord-Osten der USA reisen, dann schau dort unbedingt vorbei! Wenn du Glück hast, kannst du sogar eine Maskenaufführung sehen. Das Museum ist ein inspirierender Ort, an dem ich viele Tage verbrachte und immer noch nicht alles gesehen habe. Es ist gefüllt von unzähligen Masken, Papierskulpturen, Lampions, Bühnenelemente, Malereien, Stilleben …

Das Bread and Puppet Theater findest du in Glover, einem kleinen Ort im Norden Vermonts, nicht weit weg von der Grenze nach Kanada: 753 Heights Rd, Glover, Vt 05839, USA

Lesetipp:

Margareta Magnusson: Frau Magnussons Kunst, die letzten Dinge des Lebens zu ordnen *

Francine Jay: Less is More: Von der Freude des Weglassens *

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Wer schreibt hier:

Ich bin Uschi Erlewein und blogge hier über das Leben als freischaffende Künstlerin. Ansonsten bin ich hauptberufliche Erzählerin und habe mich auf Weltgeschichten aus fernen Ländern spezialisiert. Um die Geschichten gut erzählen zu können, reise ich auch schon mal in die Mongolei, aufs Dach der Welt, nach Kirgistan, Bali oder zu indianischen Erzählern.

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