Skizze der Urban Sketchers Stuttgart
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Die Urban Sketchers Stuttgart – Was ist Urban Sketching?

Text © Uschi Erlewein

Aktualisiert: 19. April 2023


Hast du schon mal von den Urban Sketchers gehört? Von diesen Leuten, die an öffentlichen Plätzen sitzen und zeichnen? Überfällt da einen nicht die Lust das auch mal auzuprobieren? In der Gruppe zu zeichnen nimmt dir vielleicht auch die Scheu, wenn Leute dir über die Schulter schauen, um zu sehen, was du machst.

Zeichnen ist was, das eigentlich jeder mal ne Zeitlang üben sollte. Davon bin ich überzeugt. Besonders das genaue Hinschauen und Beobachten habe ich dadurch gelernt. Du schärfst deinen Blick für die Welt, den Raum, Durchbrüche und Details. Lernst dich auf etwas einzulassen und geduldig dranzubleiben, bis die Zeichnung fertig ist …


Heiko M. Fischer von den Urban Sketchers Stuttgart (STUSK) hat sich netterweise Zeit genommen, um meine Fragen über Urban Sketching zu beantworten. Heiko, vielen Dank für das Gespräch!

Urban Sketching: Skizze der Urban Sketchers Stuttgart

Was ist Urban Sketching?

Urban Sketching ist der Name für eine bestimmte Praxis des Zeichnens. Zentral dabei ist, dass man – oft in der Gruppe – seine Umwelt dokumentarisch zeichnet.

Die Zeichnungen entstehen an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit und bilden diesen ab. Und dann werden die Ergebnisse online geteilt.

Wo genau begann die Bewegung? Wer hat es gestartet?

Dass es sich dabei in der Regel um Stadtansichten handelt klingt ja schon im Namen mit. Das Ganze geht zurück auf einen Journalisten zurück, Gabriel Campanario, der für die „Seattle Times“ Skizzen seiner Stadt anfertigte.

Leute begannen ihm ihre eigenen Zeichnungen zu schicken. Mittlerweile gibt es eine Non-Profit-Organisation (www.urbansketchers.org), lokale Gruppen in vielen Städten weltweit und eine Vielzahl von Online-Plattformen.

Urban Sketching: Haus Mörikestrasse, Stuttgart

Wie bist du zum Urban Sketching gekommen?

Noch bevor ich von Urban Sketching gehört hatte, hatte ich angefangen wieder zu zeichnen. In der öffentlichen Verkehrsmitteln in Zürich auf dem Weg zur Arbeit. Es war auch ein Mittel, mich von meinem Kunststudium zu emanzipieren. Das war sehr an zeitgenössischen Formaten orientiert, Performances, Videoarbeiten, Installationen.

Ich empfand das vermeintlich Einfache des Zeichnens als unglaubliche Befreiung. Und es war ein Medium, dem ich nicht sofort mit einem ganzen analytischen Instrumentarium gegenüber trat. Trotzdem ist das Skizzieren der Handschriftlichkeit und damit dem diskursiven Denken eng verwandt – es bleibt im Raum zwischen Bild und Zeichen. Abgesehen davon, ist es einfach die Lust an diesen Tauchfahrten ins Bildnerische.

Die Stuttgarter Gruppe geht tatsächlich auf die Gruppe der „Stadtisten“ zurück. Eine Wählervereinigung, die sich ebenfalls mit Stadtpolitik und Mitgestaltung beschäftigt. Außerdem verstehen sich die Stadtisten als Plattform zur Vernetzung ganz unterschiedlicher bürgerschaftlicher Initiativen.

Es geht immer um die Frage, in was für einer Art von Stadt wir leben und wie wir ihre Zukunft mitgestalten können. In diesem Zusammenhang haben wir die Gruppe, die zunächst nur ein keiner Stammtisch von Zeichnern war, geöffnet und angefangen, Menschen aktiv einzuladen.

Mittlerweile haben wir eine große und lebendige Szene. Es kommen durchaus auch mal 30 Leute zu den Sketch Crawls, die mindestens einmal im Monat stattfinden.

Urban Sketching: Zeichnung eines Hauses in Stuttgart

Als ich Malerei-Graphik studierte, sind wir oft zum Zeichen in die Stadt, den botanischen Garten oder ins Museum gegangen. Was ist anders beim Urban Sketching?

Es gibt ja eine lange Tradition des dokumentarischen Zeichnens. Vor der Erfindung der Fotografie gehörte Zeichnen zum kulturtechnischen Repertoire eines jeden, der sich für gebildet hielt. Die illustrierten Tagebücher vieler „GrandTours“, die die gebildeten Stände unternahmen, legen davon Zeugnis ab. Zeichner begleiteten Napoleon auf seinen Feldzügen. Es gibt auch eine sehr interessante Geschichte der gezeichneten Zeitungsreportage.

Wirklich neu ist der Aspekt, die Dimension, die das Internet dazu bringt. Also die Vernetzung untereinander und die Möglichkeit Online sichtbar zu werden. Dieser digitale Ausstellungsraum befruchtet wiederum die Szene der Sketcher. Es liegt eine große Fasziniation darin, die eigene Stadt durch die Augen und den individuellen Stil unterschiedlicher Zeichner zu sehen.

Dazu kommt ist, dass bei den „Sketch Crawls“ – so heißen die informellen Treffen zum Zeichnen – eine sehr freundliche, wohlwollende Stimmung herrscht. Professionelle Künstler und Illustratoren findet man genauso wie Leute für die Zeichnen ein Hobby ist.

Geht es bei Urban Sketching nur um Stadtkultur? Oder trefft ihr Euch auch zum Akt- oder Kopfzeichnen?

Es geht um die Zeichnung, die im Moment entsteht. Es gibt auch Urban Sketchers in einsamen irischen Dörfern oder in Alaska. Und viele, die Urban Sketching betreiben, haben auch ein Interesse an anderen Formen des Zeichnens.

Wovon lebt ein Künstler, wenn er all seine Arbeiten gratis und frei zugänglich im Internet veröffentlicht?

Ich glaube die Frage stellt sich insofern nicht. Da es kaum Menschen gibt, die vom Urban Sketching leben oder anstreben das zu tun. Für viele professionell arbeitenden Zeichner – wie z.B. Illustratoren – ist es aber durchaus eine Möglichkeit, auf die eigene Arbeit (und das eigene Können) aufmerksam zu machen.

Und nicht zuletzt ist auch Kreativität dabei gefragt, wie man aus seinen Fähigkeiten ein Geschäftsmodell macht. Zum Beispiel als Zeichnerin für Events wie Messen oder Hochzeiten. Oder ein bestimmtes Format von Zeichen-Workshops anzubieten, das sich vom üblichen Angebot unterscheidet. Urban Sketching ist aber in erster Linie „Zeichnen als Breitensport“. Kommerzielle Aspekte spielen dabei kaum eine Rolle.

Urban Sketching: Skizzenbücher

Du warst vor kurzem zu einem Treffen der Urban Sketchers in Georgien eingeladen. Was habt ihr da gemacht?

Wir haben 2015 in Georgien eine Gruppe Aktivisten kennengelernt, die sich mit dem Wandel von Tiflis, der georgischen Hauptstadt, auseinandersetzen. Es herrscht dort eine sehr dynamische Bautätigkeit. Architektonisch und kulturgeschichtlich wertvolle Baudenkmäler fallen einer außer Rand und Band geratenen Städtebaupolitik zum Opfer. Hinzu kommt, dass es keine öffentliche Diskussion darüber gibt, wie mit dem baulichen Erbe aus der Sowjetzeit umzugehen ist.

Eine sehr interessante Situation, auch weil die Zivilgesellschaft nach Diktatur und Bürgerkrieg ganz anders funktioniert wie hier, wo sich Zigtausende gegen Großprojekte, wie Stuttgart 21, versammeln. Zusammen mit unseren georgischen Freunden wollten wir ausloten, inwiefern Urban Sketching ein Instrument sein kann, Menschen in eine Diskussion über ihre Stadt miteinzubeziehen. Damit auch auf Themen, wie Denkmalschutz und kulturelles Erbe, aufmerksam zu machen.

Das hat sehr gut funktioniert. Zeichnen ist eine sehr niedrigschwellige Angelegenheit. Man braucht bloß einen Stift und ein Stück Papier und kommt in einen sehr unmittelbaren Kontakt mit den Menschen. So können sich Netzwerke und Plattformen bilden. Und natürlich konnten wir auch in den Medien über die Themen sprechen.

Wenn du bei den Urban Sketchers mitmachen möchtest:

Hier die wichtigsten Infos im Überblick:

Wie kann ich mehr über die Urban Sketchers in Stuttgart erfahren?
Uns gibts in allerhand sozialen Medien: Urban Sketching Stuttgart bei facebook – Urban Sketching Stuttgart auf flickr  Oder registriere dich auf unserer Mailingliste: urban.sketchers.stuttgart@gmail.com

Gibt es auch in anderen Städten Gruppen? Wie finde ich sie?
Da: urbansketchers.org

Muß ich zeichnen können?
Nein. Ein Minimum an Gestaltungswille genügt. Doch sind Stift und Papier hilfreich.

Bekommen Anfänger Anleitung zum Zeichnen?
Wenn sie nett fragen.

Wer darf mitmachen?
Jeder.

Was sind die Regeln?
Es gibt tatsächlich ein Manifest der Urban Sketchers.

Aber wie immer gilt:
Learn the rules then break them 
Keine Regel sollte irgendjemand vom Zeichnen abhalten.

URBAN SKETCHERS MANIFEST

  • Wir zeichnen vor Ort, drinnen oder draußen, nach direkter Beobachtung.
  • Unsere Zeichnungen erzählen die Geschichte unserer Umgebung, der Orte, an denen wir leben oder zu denen wir reisen.
  • Unsere Zeichnungen sind eine Aufzeichnung der Zeit und des Ortes.
  • Wir bezeugen unsere Umwelt wahrhaftig.
  • Wir benutzen alle Arten von Medien.
  • Wir unterstützen einander und zeichnen zusammen.
  • Wir veröffentlichen unsere Zeichnungen online.
  • Wir zeigen die Welt, Zeichnung für Zeichnung.

Lesetipp:

Gabriel Campanario: Urban Sketching: Menschen und Bewegung – Zeichnen in der Stadt *

Gabriel Campanario: Urban Sketching: Architektur und Stadtlandschaften – Zeichnen in der Stadt *

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Wer schreibt hier:

Ich bin Uschi Erlewein und blogge hier über das Leben als freischaffende Künstlerin. Ansonsten bin ich hauptberufliche Erzählerin und habe mich auf Weltgeschichten aus fernen Ländern spezialisiert. Um die Geschichten gut erzählen zu können, reise ich auch schon mal in die Mongolei, aufs Dach der Welt, nach Kirgistan, Bali oder zu indianischen Erzählern.

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