Sauna war das einzige Wort auf finnisch, das ich kannte – und meine einzige Verbindung zu Finnland. Schon als Kind war ich mit meinen Eltern in der Sauna. Ich mag die Wärme, deshalb hat es mich immer mehr in südliche Länder gezogen, als in den Norden Skandinaviens.
Das Schiff fuhr durch den Herbst in Richtung Helsinki. Ich hatte eine Dozentenstelle an einer Hochschule in Finnland angenommen. Genauer gesagt: in Nordkarelien leitete ich die erste Studiengruppe zukünftiger Kunsttherapeuten. Losgefahren im noch sommerlichen Süddeutschland, landete ich im verschneiten finnischen Winter.
Sauna, du wärmende Sonne!
Mitte der 1990er Jahre, waren die Winter in Nordkarelien eisig kalt. Wochenlang hatte es tagsüber nicht mehr als -20°. In der Sonne! Da traust du dich nur mit 3 Lagen Wolle und Fleece aus dem Haus.
Solche Eiseskälte konnte ich nur durch die Wärme in der Sauna aushalten. In den vier Wintermonaten ohne Sonne, dem 2-stündigen Tag in trübem Dämmerlicht, wärmte mich die Sauna von innen – manchmal hatte ich gar den Eindruck, als ob sie auch das fehlende Sonnenlicht ersetzte.
Sauna heißt Wärme und genießen, heißt Ruhe und zu sich kommen.
Deshalb ist die Sauna für so manchen ein heiliger Ort, von dem das Wohlbefinden abhängt. Die Finnen zelebrieren seit Menschengedenken das Baderitual der Sauna. Seit der Zeit, als die ersten Siedler ein Loch in den Boden gruben, darin Steine erhitzten und Wasser auf die heißen Steine schütteten. So ein Aufguss wird übrigens auf finnisch Loyly genannt.
Genau genommen haben in Nordkarelien viele Leute in einer Sauna gewohnt. Die alten karelischen Häuser waren Blockhäuser mit nur 1 Raum. Ein grosser Steinofen diente zum Heizen und Kochen – hat man Wasser auf den Ofen geschüttet, wurde das ganze Haus zur Sauna.
Die Sauna in Finnland war ein Ort mit magischen Kräften, in dem Rituale ausgeführt wurden. Verstorbene wurden dort gewaschen, man machte Liebeszauber für unglücklich Verliebte und Reinigungsrituale vor einer Hochzeit.
Auch die Kinder wurden in der Sauna geboren, denn dort war es ja warm und hygienisch sauber. Vor allem die Rauchsauna (s.u.) ist überall mit antibakteriellen Harz und Holzteer überzogen.
Zumindest die Generationen vor 1950 erzählten mir, dass sie in der Sauna zur Welt gekommen waren. Heute findest du in vielen Krankenhäusern eine Sauna auf der Entbindungsstation, es ist also wieder ganz normal, dass Kinder in der Sauna geboren werden.
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In der öffentlichen Sauna in Finnland
Nachdem die Sauna in Finnland so selbstverständlich ist, hatte ich erwartet, dass es dort immer und überalle gemischte Saunen gibt. Was war ich erstaunt, dass gemischte Sauna in Finnland nicht üblich ist.
Ich erinnere mich, dass in der öffentlichen Schwimmbad Männlein und Weiblein, sorgsam getrennt durch eine Milchglasscheibe, in der Dampfsauna sassen. „Viele Frauen haben sich beschwert, dass sie zusammen mit fremden Männern saunieren sollen. Deshalb wurde die Trennscheibe eingebaut.“ erklärte meine Kollegin.
In manchen Familien habe ich erlebt, dass dort zuerst der Vater mit den Kindern und danach die Frauen saunierten.
Jetzt will ich noch was klar stellen: die Finnen „prügeln“ sich nicht mit Birkenzweigen in der Sauna. Das ist keine Selbstkasteiung, kein „peitschen“, sondern man klopft sich damit leicht auf die Haut.
Das Bündel Birkenzweige nennt man Ostfinnland Vasta. Es ist eine besondere Kunst, ein gutes Vasta zu binden – nicht jeder kann das. Besonders wichtig ist, dass man die Zweige zur richtigen Zeit im Frühjahr schneidet, die Blätter sollen weder zu jung, noch zu hart sein. Wenn sie richtig sind, dann geben sie den Saft ab, der heilend wirkt und statt Seife reinigt.
Wie gesagt, die Heilkräfte der Birkenblätter, zusammen mit der Anregung der Durchblutung, fördern die reinigende Wirkung der Sauna.
Im harzigen Schoß der Savusauna
Es gibt ja viele verschiedene Arten von Saunen in Finnland.
Besonders hat mich die Rauchsauna beeindruckt. Die war unübertrefflich!
Savusauna, die Rauchsauna, ist wahrscheinlich die ursprünglichste Sauna, leider gibt es sie nicht mehr so häufig. Vielleicht, weil es sehr aufwändig ist, sie aufzuheizen. Man muss einen ganzen Tag das Feuer mit speziellem Holz füttern, im richtigen Rhythmus.
Geheizt wird nicht in einem Ofen, statt dessen gibt es eine gemauerte Plattform, auf der ein offenes Lagerfeuer gemacht wird. Die Rauchsauna hat also keinen Kamin.
Es ist ein Blockhaus mit nur 2 Öffnungen: einer Eingangstür und einer winzigen Öffnung von ca. 15 x 15 cm in der Wand gegenüber. Beim Heizen ist die kleine Öffnung mit einem Holzpflock verschlossen.
Einzig durch die Tür kommt der Sauerstoff, gerade genug, damit das Feuer brennt. Aber das Holz verbrennt dabei nicht vollständig, sondern qualmt und so sind die Wände, Sitzbänke, alles mit einer braunen Schicht Holzteer überzogen.
Kurz bevor man sauniert, wird die Türe und die gegenüberliegende Öffnung aufgemacht. So kann der beißende Rauch abziehen, die Wärme bleibt.
Der dunkelbraune Raum war nur wenig mit dem Licht der verglimmenden Glut beleuchtet. Es riecht nach Harz, erdig-warm und frisch zugleich. Es ist, wie in eine Gebärmutter einzutauchen.
Die Wärme ist sanft. Doch kaum bist du in der Savusauna, öffnen sich alle Poren deines Körpers und du kannst schwitzen, wie noch nie.
Ortsgeister kenenlernen: Tonttut
In Finnland erzählt man sich viele Mythen und Geschichten von Naturgeistern. Trolle & Feen, Gnome & Wassergeister wohnen in den finnischen Wäldern und gehören zum Alltag.
Erzählungen über das „kleine Volk“ begleiteten mein Leben in Finnland. Ich begegnete so manchen Leuten, die einen besonderen Sinn für diese Wesen haben und sie auch sehen können.
Für die meisten Menschen sind die Tonttut allerdings unsichtbar. In Finnland zählt man sie zu den Elfen.
Das Wort Tonttu ( Einzahl: Tonttu, Mehrzahl: Tonttut ) leitet sich ab vom Wort Tontti, übersetzt: Anwesen oder Grundstück.
Tonttut sind also Ortsgeister, die mit einem bestimmten Ort verbunden sind. Als Naturgeister kümmern sie sich um den Ort und sie leben bei den Menschen. Jedes Gebäude hat solch einen beschützenden Geist. Stellt man sich gut mit dem Tonttu, bringt er Glück und Reichtum ins Haus.
Deshalb gibt es die Redewendung:
Tonttu sillä on, Tonttu kantaa – Wer Wohlstand hat, hat einen Tonttu im Haus.
Saunatonttu – Der Geist, der die Sauna beschützt
Wahrscheinlich sind die Tonttut verbunden mit der Ahnenverehrung.
In vorchristlicher Zeit verehrte man die Seele des verstorben ersten Siedlers. Das war derjenige, der die Wildnis gezähmt hat, so dass von nun an Menschen an dem Ort siedeln konnten.
Legenden erzählen, dass der Mensch, der ein Haus baut, nach seinem Tod zum Schutzgeist des Hauses wird. Auch die erste Person, die eine neue Sauna nutzt, wird nach ihrem Tod zum Schutzgeist dieser Sauna.
Es gibt Tonttut, die in Scheunen und Kuhställen leben. Oder beim Grenzstein eines Grundstücks. Dort passen sie auf, dass keiner den Grenzstein versetzt. Ein anderer Tonttu passt auf das Herdfeuer auf.
Und es gibt eben den Saunatonttu.
Nach finnischer Mythologie wird jede Sauna von einem Saunatonttu bewacht, bewohnt und verwaltet. Man sagt, weil in jeder Sauna ein Saunatonttu lebt, hat sie einen ganz eigenen Charakter. So zeigen sich die Eigenarten des Schutzgeistes.
Reisbrei für den Saunatonttu
Saunatonttut sind lärmempfindlich und mögen so gar kein Geschrei in der Sauna. Die Sauna ist ein Ort der Stille, ein Ruhepol in der Welt. Kinder lernen deshalb von klein auf, beim saunieren still zu sein und sich nicht zu streiten.
Jemand sagte mal, „Die Finnen können in vielen Sprachen schweigen.“ Das kannst du in der Sauna in Finnland erleben!
Der Schutzgeist mag es auch nicht, wenn die Leute spät in der Nacht saunieren. Da wird er ärgerlich und könnte etwas Glut aus dem Ofen stehlen, sie auf den Boden werfen – und dadurch die Sauna abbrennen.
Eigentlich ist der Tonttu ja ein gutmütiges Wesen und ein Beschützer der menschlichen Behausungen.
Doch, wenn man ihn beleidigt, kann er gefährlich sauer werden. Dann passt er nicht mehr auf; Haus, Stall, Scheune oder Sauna, alles könnte abbrennen. Oder es bricht eine schreckliche Krankheit aus.
Stell dich also gut mit dem Saunatonttu!
Wenn man ihn achtet, respektiert und alle Regeln befolgt, passt er auf die Sauna auf und kümmert sich um das Feuer. Er sorgt dafür, dass es richtig brennt, die Sauna aber nicht in Flammen aufgeht – und der Saunatonttu hält die Sauna sauber.
Gute Laune bekommen Tonttut, wenn man sie füttert. Besonders gerne essen sie Hafer- oder Reisbrei, mit einem grossen Stück Butter darauf. Oder eine Suppe. Mindestens an Weihnachten bekommt der Saunatonttu einen Teller mit Reisbrei, damit er auch im kommenden Jahr die Sauna beschützt.
Ab und zu habe ich in der Sauna beobachtet, dass jemand von seinem Getränk ein bisschen dem Saunatonttu gab und ein paar Tropfen Bier oder Saft auf den Boden tropfte. Manchmal gab es auch ein kleines Schälchen dafür, in das die Opfergabe für den Tonttu geschüttet wurde.
Foto:
Auf dem Foto siehst du leider keinen Saunatonttu, sondern Tuovi beim Improvisieren mit ihrer Maske. Im Laufe der Jahre habe ich unzählige Workshops für Maskenbau und Maskenspiel gegeben, so auch in Finnland. Nach dem Gestalten der Masken ist es immer auch wichtig, in die Haut des geschaffenen Maskenwesens zu schlüpfen, zu improvisieren und zu spielen.
Lesetipp:
Bernd Gieseking: Finne dich selbst!: Mit den Eltern auf dem Rücksitz ins Land der Rentiere * – Sehr amüsant! Dieses Buch habe ich mit grossem Vergnügen gelesen. Viele von den geschilderten Situationen und Beobachtungen kenne ich so gut aus meinen 2 Jahren in Finnland …
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… da finden sich auch Spuren meiner Erlebnisse im nordischen Winter: