Es ist Winter, grau, neblig und dunkel. Ich höre, wie viele Leute über das Wetter jammern und sich deprimiert nach Licht sehnen.
So ging mirs früher auch.
Doch seit ich in Finnland unterrichtete und dort die langen Winter erlebte, hat sich meine Haltung grundlegend geändert.
Seither weiß ich, der Winter kann noch ganz anders. Er kann so eisig sein, dass dir schier die Tränen in den Augen gefrieren und du monatelang die Sonne überhaupt nicht siehst …
Drei Monate keine Sonne
In Nordkarelien war ich noch genügend weit südlich, so dass die Nacht nicht 3 Monate dauerte. Dort gibt es im Winter „etwas Tageslicht“.
Hell war es trotzdem nicht.
Bis nach 11:00 Uhr vormittags war es stockdunkel, dann 2 Stunden Dämmerlicht, danach wieder diese Dunkelheit.
Der Himmel hing niedrig und lastete schwer, wie eine graue Betondecke.
Bist du mit dem Auto unterwegs, löst sich der Lichtkegel der Scheinwerfer im unendlichen Dunkel auf. Da verlierst du jedes Gefühl für Zeit und Raum. Die Zeit dehnt sich aus und du erlebst dich als winziges Teilchen einer übermächtigen Natur.
Es war, als ob es irgendwo einen Lichtstaubsauger gäbe, der alles Licht der Welt aufsaugt.
Von Oktober bis Januar war die Sonne gar nicht zu sehen. Ende Januar kam sie wieder zurück, erst als schmaler Streif am Horizont. Nur drei, vier Minuten, dann war sie wieder weg. Jeden Tag blieb sie ein bisschen länger, bis endlich wieder ihr ganzes Rund die Landschaft in grelles Sonnenlicht tauchte.
Diese langen kalten Winter sind übrigens auch miteingeflossen u.a. in mein Erzählprogramm mit Geschichten vom Polarkreis
Sehnsucht nach Farbe und Licht
Überall weißer Schnee mit blauen Schatten, weiße Birken und Eisblumen. Im bläulichen Dämmerlicht, das über alles einen blauen Schleier legte, sehnte ich mich nach einem Licht, das mit kräftigen Farben gesättigt war.
Der Tag, an dem ich mir meinen wöchentlichen Tulpenstrauß kaufte, wurde zum Festtag der Farben. Schon immer war meine Malerei sehr farbenfroh. Doch die Bilder, die im finnischen Winter entstanden, explodierten in ihrer Farbigkeit.
Anfangs wunderte ich mich über diese Kästchen, die an jedem Parkplatz angebracht waren. Waren das Parkuhren – sogar auf privaten Grundstücken?
Erst nach einer Weile verstand ich, dass jeder Autostellplatz einen Stromanschluss hat. Die meisten finnischen Autofahrer schließen ihre Motorheizung daran an. Damit bleibt der Motor immer leicht angewärmt, so dass er leichter anspringt.
Das macht schon Sinn, bei wochenlang weit unter -20 °C. Da ächzt jedes Türschloss und Scharnier – ganz zu schweigen von den Knochen und Gelenken. Ein Lob auf die finnische Sauna!
Mehr über die mythologische Seite der Sauna: Die Sauna in Finnland und ihr Schutzgeist – Der Saunatonttu
Länder schmecken
In anderen Ländern typisches Essen probieren und das Reisen – das gehört einfach zusammen.
Jedes Land schmeckt anders. Für mich sind Gewürze und Düfte wie die Farben in der Malerei. Sie sind ganz eng verbunden mit Gefühlen und dem Erinnern.
Aus jedem Land habe ich mir typische Lebensmittel und Rezepte mitgebracht. Und viele Gerichte fanden einen festen Platz in meiner Küche. Sie schmecken nach der Landschaft und den Menschen, denen ich begegnet bin.
Meine Mitbringsel aus Finnland sind Tiina´s Borschtsch, karelische Piroggen (Karjalanpiirakka) und eben finnische Ohrfeigen …
Mit dem Duft dieser Gerichte reise ich in Gedanken, auf den Schwingen der Zunge.
Aufwärmen durch die Nase
Die Finnen kennen etliche Lebensmittel, die ihre langen Winter versüßen. Denk ich da dran, steigt mir gleich der Duft von Kardamon, Zimt und Lakritz (Lakritsi) in die Nase. Lakritz und Salmiakpastillen (Salmiakki) gibt es in in unzähligen Variationen. Mal rund und salzig, gefüllt, oder weich und süß – für die Hartgesottenen sogar alkoholisch und als Lakritz-Eiscreme.
Zimt, Nelken, Kardamom, passen sehr gut zum kalten Winter. Kein Wunder, dass vieles damit gewürzt ist, dieser Duft tröstet und wärmt von innen. Ich entdeckte so manches finnische Gebäck, das mit Zimt und Kardamom gewürzt wird – eben auch die Korvapuusti.
Korvapuusti heißt übersetzt Ohrfeige. Nach dem Backen erinnert nämlich die Form dieser Zimtschnecken an geschwollene Ohren.
Finnische Ohrfeigen tun also nicht weh, sie sind lecker und beliebt in Finnland. So beliebt, dass es sogar einen offiziellen Korvapuusti-Tag gibt, den Zimtschnecken-Tag am 4. Oktober.
Mir wurde erzählt, dass die Korvapuusti ursprünglich von Deutschland nach Finnland eingewandert sind – ob das stimmt, weiß ich nicht sicher. Wenn ich allerdings das Rezept der finnischen Ohrfeigen anschau, dann sieht man schon, dass sie Verwandte unserer Schneckennudel sind – allerdings schmecken finnische Ohrfeigen nicht nur nach Zimtzucker, sondern auch lecker nach Kardamom.
Hier nun das Rezept vom finnischen Kaffeegebäck Korvapuustit.
Rezept: Korvapuusti, finnische Ohrfeigen
Zutaten
Hefeteig
- 0,5 l handwarme Milch
- 50 g frische Hefe
- 2 TL Salz
- 1 Ei
- 180 g Zucker
- 200 g flüssige, handwarme Butter
- 900 g Mehl
- 1-2 EL Kardamom, gemahlen
Füllung
- 30 g Butter
- 1 EL gemahlener Zimt
Zum Bestreichen
- 1 Eigelb
- 50 ml Hagelzucker
Arbeitszeit: ca. 20 Min.
Zubereitung Schritt für Schritt
Hefe in handwarmer Milch auflösen und mit dem Mehl gut vermengen, dann Ei, Salz und Kardamom dazufügen und ganz zuletzt das handwarme Fett hineinrühren. Den Teig gut durchkneten und ihn abgedeckt, an warmer Stelle, ca. 1 Std. gehen lassen.
Rolle den Teig dünn in ein Viereck aus, bestreiche ihn mit flüssiger Butter und mit der Zimt-Zucker-Mischung bestreuen. Den Teigfladen von einer Seite her zu einer Teigrolle aufrollen. Schneide die Rolle in 3-5 cm dicke Scheiben. Jetzt hast du Zimtschnecken, drücke sie von der Seite zur Mitte zusammen, bis die inneren Schichten ein bisschen heraus quellen. Mit viel Fantasie sieht die Schnecke wie ein geschwollenes Ohr aus – daher der Name: Finnische Ohrfeige.
Die Zimtschnecken mit einem Küchentuch abdecken und nochmal ca. 15 Min. gehen lassen, dann mit Ei bestreichen und etwas Hagelzucker bestreuen.
Die finnischen Ohrfeigen bei 225° C. goldgelb backen ( ca. 10-15 Min. )
Guten Appetit!
P.S.: Mit diesem Blogbeitrag greife ich ein Blockstöckchen von sinnundverstand auf. Den Anstoß bekam ich in einer netten Email von ichtich.de – Danke dafür!
Mach doch mit und schreib in deinem Blog auch was zum Thema #DieWeltaufdemTeller. Wenn du mir Bescheid sagst, dann lese ich ganz sicher deinen Beitrag. Versprochen!
Magst du weiterlesen? Dann könnte dich das auch interessieren:
Lesetipp:
Doris Dörrie: Die Welt auf dem Teller: Inspirationen aus der Küche *
Bernd Gieseking: Finne dich selbst!: Mit den Eltern auf dem Rücksitz ins Land der Rentiere * – Sehr amüsant! Dieses Buch habe ich mit grossem Vergnügen gelesen. Viele von den geschilderten Situationen und Beobachtungen kenne ich so gut aus meinen 2 Jahren in Finnland …
*Werbung: bei Amazon anschauen. Wenn du über diese Links bei Amazon einkaufst, bekomme ich eine kleine Provision, die in die Arbeit an diesem Blog fließt. An deinem Kaufpreis ändert sich dadurch nichts und du bezahlst keinen Cent mehr. Danke für die Unterstützung!
Bildquelle: iStock.com/Rae_The_Sparrow