Wer sich dafür interessiert, wie unsere Vorfahren gelebt haben, ist im Freilichtmuseum Neuhausen ob Eck ( im Landkreis Tuttlingen ) am richtigen Platz. Auf dem Heimweg, von einem Auftritt in Konstanz, machte ich einen Zwischenstopp und ging dort im Museum auf Fotosafari. Die Fotos, die du hier siehst sind dabei entstanden.
Es gibt viel zu sehen in dem weitläufigen Gelände, vom Dorfkaufhaus über verschiedene Wohnhäuser, Bauernhöfe, Mühlen, Werkstätten wie Töpferei, Schmiede, Sägewerk, Bienenhaus, Seilerei …
An vielen Tagen kannst du Handwerkern bei der Arbeit über die Schulter schauen. Heute z.B. schaute ich einem Wagner zu. Er erklärte mir den Aufbau eines Holzwagenrades und schnitzte ein Edelweiß. Mittags zieht ein Hirte mit seinen Schweinen durchs Museumsdorf zur Weide im Wald. Diese historische Schweinehut kannst du im Sommer immer um 14 Uhr beobachten.
Eine Gruppe machte eine Kräuterführung und lernte über Dost und Weberkarde, Salbei und Holunder. „Kinderle“ wurde der wilde Thymian früher genannt, weil er Kinder beruhigt, wenn sie im Thymiansud gebadet werden.
Überall im Freilichtmuseum Neuhausen sind die Räume liebevoll eingerichtet. Es ist seltsam, dies ist ein Museum, niemand wohnt in den Häusern. Trotzdem habe ich den Eindruck, als ob die Bewohner des Hauses gerade vom Tisch aufgestanden sind.
Überall Stilleben von Alltagsgegenständen mit ihrer einfachen schlichten Schönheit. Sie erzählen von der Hoffnung, mit harter Arbeit und Sparsamkeit auf Erden, die Schönheit im Himmel zu erreichen.
Das Leben der Hütekinder und Schwabenkinder
Eine kleine Ausstellung im Freilichtmuseum Neuhausen berichtet über das Leben der Schwabenkinder. Kinder aus mittellosen schweizer und österreichischer Bergbauernfamilien wurden losgeschickt und mussten die 100 km zu Fuß bis in die Gegend des Allgäus und der Bodenseeregion wandern. In Ravensburg, Wangen, Stockach und vielen anderen Orten gab es Hütekindermärkte.
Die Schwabenkinder wurden als Viehhirten, Knechte und Mägde verdingt. Oftmals misshandelt und schlecht genährt, mussten sie von früh bis spät arbeiten.
Ihre Schlafkammer lag bestenfalls über den Kuhstall, von unten her von der Wärme der Tiere ein wenig erwärmt. Die Matratze, ein Sack gefüllt mit Stroh. Zwischen den Dachziegeln konnte man den Himmel sehen. Wenn im Winter die kalten Stürme übers Land brausten, fiel bestimmt Schnee durch die Zwischenräume der Ziegel und sammelte sich in der Schlafkammer.
Überall wurde nicht nur gewohnt, sondern immer auch gearbeitet. „Wohnzimmer“, wie wir sie kennen, konnten sich nur die Reichen und die Bürger in der Stadt leisten.
Es war knapp an allem. Beim Suppe essen, wurden die wenigen Löffel geteilt und an den nächsten weitergegeben. Die Schlafzimmer, feucht und zugig. Mehrere Menschen mussten sich ein Bett teilen. Dabei waren die Betten sowieso schon so schmal!
Das Weberhaus im Freilichtmuseum Neuhausen
Wieder fällt mir auf, wie arm die Weber waren. Da gab es nichts, das ein bisschen heimelig war. Die Fenster waren klein, sicher wurde auch wenig geheizt im Winter. Die Weber arbeiteten in einem kalten feuchten Raum. Leinen braucht ja Feuchtigkeit bei der Verarbeitung, dann ist es flexibler.
Ist es nicht seltsam, dass gerade die Weber zu den Ärmsten zählten? Gerade die, die dafür sorgen, dass wir Kleidung haben, die uns wärmt und den Winter leichter überstehen lässt?
Leinenweber galt lange Zeit sogar als „ehrloser Beruf“. Im Gegensatz dazu, hat in der Mythologie die Weberei ganz viel Bedeutung. Weberinnen spinnen und verweben die Schicksalsfäden der Menschen. Wurde Ihnen so viel Macht übel genommen, die Weber deshalb so arm und klein wie möglich gehalten?
Die Dinge und wir
Die Dinge waren von Menschen gemacht und nicht von Maschinen. Dinge waren wertvoll. Sie waren für möglichst langen Gebrauch gemacht. Und wenn sie zerbrachen, wurden sie geflickt und repariert.
Welch ein Gegensatz zu unserer Ex-und-hopp-Mentalität!
Auf dem Foto unten kannst du entdecken, dass die Waschschüssel mit einem Drahtring zusammengehalten ist. Zu Zeiten ohne Badezimmer war solch ein Waschlabor ein echter Luxus im Schlafzimmer.
War es nur die Not, die früher die Menschen anders mit den Dingen umgehen ließen?
Es liegt sicher auch daran, dass sie vieles selber machten. So wusste jeder, wie viel Arbeit es macht, um etwas herzustellen.
Wenn du wochenlang am Webstuhl gesessen hast, um einen Stoff zu weben, vorher den Flachs angebaut, gebrochen, gekämmt und gesponnen hast, dann wirfst du ein Kleid nicht so schnell weg.
So ein Stück trägt in sich eine Geschichte, wurde von vielen Händen berührt, so viel Zeit ist hinein geflossen.
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Übrigens gibt es im Museum viele interessante Veranstaltungen. Mittlerweile war ich schon zum 3. Mal als Geschichtenspielerin für den Märchentag im Freilichtmuseum Neuhausen ob Eck engagiert. Ich spielte Geschichten vom halben Göggele auf schwäbisch.